Ende März wurde die Akquisition der Cumulocity GmbH durch die Software AG bekanntgegeben. Das Unternehmen mit Sitz in Düsseldorf entwickelt innovative Lösungen für das Internet der Dinge. Doch was genau bedeutet das? Und warum ist die Cloud IoT Platform von Cumulocity eine so perfekte Ergänzung zur Digital Business Platform der Software AG? Ein Gespräch mit Cumulocity-Chef Bernd Gross bringt Licht ins Dunkel.

Herr Gross, seit dem 31. März gehört Ihr Unternehmen nun offiziell zur Software AG. Was die beiden Unternehmen verbindet, lässt sich mit dem Stichwort Internet der Dinge zusammenfassen. Können Sie anhand von ein paar Beispielen veranschaulichen, was das bedeutet und wie Cumulocity in diesem Bereich aufgestellt ist?

Sehr gern. Unsere Cloud IoT Platform spricht sozusagen die Sprache der Dinge, d.h. sie macht es einfach, alle möglichen Dinge ans Internet anzubinden. Lassen Sie mich ein profanes Beispiel geben: Biergläser. Auf der CeBIT hat Rastal, ein großer Produzent von Biergläsern, vorgestellt, wie Sensoren in Biergläsern erfassen, welche Biersorte aus einem Glas getrunken wird, und wie viel davon. Jedes Bierglas wird mit einer elektronischen Karte ausgeliefert, so dass über die vom Sensor erfassten Daten die konsumierte Menge abgerechnet werden kann. Dies ermöglicht es, zum Beispiel bei Großveranstaltungen Zapfanlagen aufzustellen, an denen jeder sein Bier selbst zapft und über die Karte abrechnet.

Ein geniales Konzept. Wir haben auch von Mountainbikes gehört, die Sie ausgestattet haben?

Ja, das ist ein weiteres schönes Beispiel. Wenn ein Mountainbike z.B. mit einem Schocksensor ausgestattet ist, kann ein Notruf an eine in einer App hinterlegte Telefonnummer abgesetzt werden. Außerdem kann man das Mountainbike über den Sensor ausfindig machen, falls es gestohlen wurde. Es verfügt also über einen automatischen integrierten Diebstahlschutz. Diese zwei Beispiele zeigen, dass das Internet über Cumulocity mit allen Dingen der Welt kommunizieren kann. Auch mit Kaffee…

Mit Kaffee? Wie funktioniert das?

Für Lyreco, einen Anbieter von Bürobedarf in der Schweiz, haben wir einen automatischen Bestell- und Abrechnungsservice für Nespresso-Patches entwickelt. Die Nespresso-Maschinen sind ans Internet angebunden. Die Verbrauchsstände werden online überwacht, und bei Erreichen eines vordefinierten Werts wird eine automatische Bestellung der richtigen Kaffee-Patches ausgelöst. Die Abrechnung erfolgt dann ebenfalls elektronisch, per E-Mail. Wir haben also die Lieferkette und die Rechnungstellung automatisiert. Dies funktioniert natürlich auch in der Industrie, z.B. bei der Überwachung von Tanks oder sogar ganzen Fertigungsstätten, diesen „Use Case“ nennt man dann „Supply Chain Management 4.0“.

Das sind faszinierende Beispiele. Können Sie noch weitere Einsatzmöglichkeiten nennen?

Natürlich! Unser Büro sieht manchmal aus wie eine „Bastelbude“, weil wir ständig neue Geräte, Maschinen, Controller Units, SPS Steuereinheiten, Wetterstationen, Kompressoren, elektrische Roller, Windanlagen, Pumpen und vieles mehr vernetzen. Unser Fokus liegt im Bereich Industrial Internet of Things (IIoT) oder auch Industrie 4.0 genannt, aber wir sehen auch einen soliden Zuwachs in den Bereichen Energie-Management und Smart City-Lösungen.

Wie genau ergänzen sich die Software AG und Cumulocity beim Thema IoT?

Cumulocity hat den Fokus auf der „OT“, der Operational Technology, also auf der Funktionsweise von Dingen, z.B. den Maschinen, die ans Internet angebunden werden sollen. Die Software AG hat den Fokus auf der „Information Technology“, also der IT. Durch den Zusammenschluss verbinden wir nun diese beiden Welten und können neue Optimierungspotentiale und Geschäftsmodelle für unsere Kunden erschließen, noch dazu komplett in der Cloud.

Cumulocity ist ein sogenanntes White Label-Angebot. Können Sie kurz erklären, was das bedeutet und was die Vorteile davon sind?

Als White Label ist unsere Technologie nicht gebranded. In der Welt des IoT wollen viele Unternehmen ihre Produkte smart machen, d.h. sie verkaufen nicht mehr nur eine Pumpe oder einen Kompressor, sondern intelligente Online-Services dazu. Bei einer Pumpe könnte man hier z.B. an Fernsteuerung oder vorausschauende Wartung denken. Der Endkunde möchte aber alles aus einer Hand, d.h. der Pumpenhersteller liefert die digitalen Services unter seinem eigenen Namen mit, der Name Cumulocity taucht nicht auf, obwohl unsere Cloud IoT Platform hinter diesen digitalen Dienstleistungen steckt.

Können Sie kurz etwas zur Geschichte von Cumulocity sagen?

Stefan Vaillant (CTO), Dr. Andre Eickler (Head of Engineering), Oliver Stache (Director Customer Projects) und ich haben Cumulocity 2012 im Rahmen eines Management Buy-Outs gegründet. Davor hatten wir zwei Jahre lang bei Nokia Siemens Networks in Mountain View, Silicon Valley, die Software entwickelt. Insofern sind wir kein klassisches Start-up, und unser Ursprung bei Nokia Networks erklärt auch, dass wir in der Telekommunikationsbranche mittlerweile die Nummer 1 sind. Die Telcos erweitern durch Cumulocity ihr Angebot von einem M2M SIM-Kartengeschäft hin zum integrierten Cloud-Anbieter, bei dem man die Daten speichern und in Echtzeit analysieren kann.

Wie viele Mitarbeiter haben Sie an welchen Standorten?

Wir beschäftigen knapp 35 Leute hier in Düsseldorf, weitere 15 in einem R&D-Zentrum in der Nähe von Warschau und haben verschiedene Regionalbüros mit Vertriebsmitarbeitern, in den Niederlanden, Finnland, Großbritannien, in Hannover und in Riga. Aber wir vertreiben unsere Technologie zu 80 Prozent über Partner.

Wo liegt der Schwerpunkt der Integration in die Software AG?

Wir wünschen uns, dass weiterhin der Kunde und der Markt klar im Fokus stehen. Beide Unternehmen müssen sich jetzt erst einmal kennen lernen. Ich glaube, dass Agilität im Prinzip nicht mit der Größe eines Unternehmens korreliert, sondern sehr viel mit der Einstellung eines jeden Mitarbeiters und natürlich mit der Unternehmenskultur zusammenhängt. Bei beiden Unternehmen sehe ich den starken Willen und die Bereitschaft, uns auf Wachstum zu fokussieren und die Akquisition erfolgreich zu machen.

Vielen Dank, Herr Gross, für das Gespräch!

Das Interview mit Bernd Gross führte Bärbel Strothmann.

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