Am 12. September findet in Bonn die Innovation Tour 2017 der Software AG statt. Jochen Siegert, Chief Operating Officer des B2B Zahlungsverkehrs- und Lieferantenfinanzierungsspezialisten Traxpay, wird dort zur digitalen Zukunft Deutschlands sprechen. In einem Vorab-Gespräch erklärt der FinTech-Experte, wie unsere Wirtschaft weiter auf Erfolgskurs bleibt und was sie von den großen Playern der Digitalbranche lernen kann.
Herr Siegert, wie sieht die digitale Zukunft Deutschlands aus?
Um zu verstehen, wo die Reise hingeht, müssen wir zunächst die Technologie-Trends der letzten Jahre betrachten: Wir sind zur Plattformökonomie geworden. Digitale Plattformmodelle sind komplett auf den Bedarf der Kunden in unserer digitalen Welt zugeschnitten. Wer das perfekt beherrscht, kann schnell zum Global Player und Marktführer werden. Im Social-Media-Bereich ist das etwa Facebook, bei den Suchmaschinen Google, im Onlinehandel Amazon, die sich einen riesigen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz verschafft haben. Amazon macht in Deutschland beispielsweise mehr Umsatz als die nächstgrößten zwölf Online-Händler zusammen. Da diese Marktführer konstant weiterwachsen, geht die Schere immer weiter auseinander. Dieser Trend wird sich auch in den nächsten Jahren fortsetzen. Bei den genannten Beispielen handelt es sich durchweg um US-amerikanische Unternehmen, die das Marktpotenzial von Plattformmodellen und Netzwerkeffekten früh erkannt und gekonnt genutzt haben. In Deutschland haben wir diesen Trend leider verschlafen – zumindest was die Digitalbranche angeht.
Was kann Deutschland nun tun, um wirtschaftlich nicht abgehängt zu werden?
Wir müssen uns auf unsere Stärken, unsere Champions konzentrieren: Die deutsche Automobil- und Maschinenbauindustrie ist führend, denn Engineering „made in Germany“ steht für höchste Qualität. Es gilt, diese Industrien im Rahmen der Digitalisierung fit zu machen für zukünftige Anforderungen – und zwar mit der Flexibilität und Agilität, die dem digitalen Wandel angemessen ist. Wir neigen hierzulande sehr stark zum Over-Engineering und verlieren dann den eigentlichen Blick dafür, was die Kunden wirklich wollen. Hier muss ein Umdenken stattfinden. Wir müssen schneller den Kundenbedarf ermitteln und dann iterativ Produkte bauen, ausprobieren und weiter entwickeln, die auf den größtmöglichen Kundennutzen zugeschnitten sind – das können wir von Google und Co. lernen.
Wie geht man diese Herausforderung an?
Unternehmen sollten die Trends rund um die Digitalisierung ernsthaft und ganzheitlich verfolgen und das Thema nicht nur an einige wenige IT- oder Technikspezialisten delegieren. Digitalisierung und Innovation müssen im Grunde von der ganzen Firma – vom Aufsichtsrat bis zum Auszubildenden – gelebt und vorangetrieben werden. Vielerorts setzt man auf einen Chief Digital Officer, der die Digitalisierungsstrategie vorgeben und umsetzen soll. Wenn der CDO jedoch ein Einzelkämpfer bleibt, wird er scheitern. Die digitale Transformation kann nicht von wenigen Spezialisten im Unternehmen realisiert werden, sondern jeder Einzelne muss die neuen Themen verstehen und Initiativen mittragen, sodass sie zum Erfolg werden.
Wie sieht die digitale Transformation in der Finanzbranche aus?
Banken mussten sich mit dem Thema digitale Transformation früh auseinandersetzen – mit digitalen Services wie Onlinebanking und Onlinebrokerage. Das war aber meist „nur“ der Zugangskanal – das eigentliche Kerngeschäft war unverändert. Jetzt spüren sie den starken Innovationsdruck auch im Kerngeschäft, ausgelöst durch digitale Herausforderer, die sich zum Teil auch als Intermediär zwischen Bank und Kunde positionieren. Ein prominentes Beispiel ist der mittlerweile etablierte Zahlungsdienstleister PayPal, der die Marktanteile innerhalb weniger Jahre signifikant verschoben hat und heute den Bereich Online-Payment dominiert.
Wie gehen große Finanzhäuser mit dieser Konkurrenz um?
FinTech-Start-ups haben den großen Vorteil, dass sie, im Gegensatz zu traditionellen Finanzdienstleistern, Innovationen und technische Prozesse sehr schnell umsetzen können. Die großen Player der Branche müssen sich also fragen, wie sie mit dieser Vielzahl an Anbietern konkurrieren können – oder inwiefern sie das überhaupt müssen. Anstatt alle Produkte und Services inhouse anzubieten, können sie sich über Partnerschaften Teile solcher Produkte von Dienstleistern dazukaufen und auf diesem Weg ihr Angebot an digitalen Services erweitern.
Einige FinTech-Start-ups entwickeln etwa Technologien für unbesetzte Nischen und können sich so als IT-Dienstleister und Techniklieferanten für die Banken positionieren. Ein prominentes Beispiel dafür ist die ING-Bank: Kunden können ihre Rechnungen unkompliziert begleichen, indem sie Papierrechnungen abfotografieren, die dann in einen vorher ausgefüllten Überweisungsträger konvertiert werden, ohne dass der Kunde alle Details mühsam abtippen muss. Dahinter steht die Entwicklung eines FinTech-Start-ups.
Jochen Siegert, COO, Traxpay
Liegt darin auch die Chance für Start-ups, über Innovationspartnerschaften mit größeren Unternehmen im B2B-Bereich Fuß zu fassen?
Absolut! In den letzten Jahren hat bei großen Unternehmen ein Umdenken stattgefunden und sie sind offener geworden für solche Partnerschaften. Sie schätzen den Pioniergeist und die Risikobereitschaft der Start-ups sowie deren gutes Gespür dafür, was Kunden sich wünschen.
Wir als Traxpay helfen Banken und großen Firmenkunden mit Innovationen im Firmenkundenzahlungsverkehr und der Lieferantenfinanzierung. Ein anderes bekanntes Beispiel ist das Startup Figo. Dieses hatte beispielsweise eine Onlinebanking-App entwickelt, mit der Privatkunden die Bewegungen auf mehreren Konten konsolidiert einsehen können. Der Bedarf war vorhanden, doch die Konkurrenz durch die Haus-Apps der Banken zu groß. Figo hat daraufhin sein Geschäftsmodell überdacht und es von einem privaten Endkundenmodell in ein Businessmodell umgewandelt. Das Start-up ist heute ein technischer Dienstleister, zu dessen Kunden namhafte Banken – allen voran die Deutsche Bank –, aber auch viele Unternehmenskunden zählen, die Figos Technologie für ihre eigene Banking-App nutzen.
Diese Agilität der Start-ups, schnell auf Marktentwicklungen zu reagieren, sich auch selbst komplett neu zu erfinden, ist eine Tugend, die den alteingesessenen Unternehmen oft fehlt. Eine Innovationspartnerschaft ist deshalb für beide Seiten fruchtbar: Die großen Unternehmen unterstützen die jungen Start-ups im Geschäftsaufbau und erleichtern ihnen den Markteintritt. Im Gegenzug profitieren sie von der Innovationsbereitschaft und Dynamik der Startups. Nur wer das Ohr am Markt hat, den Kundenbedarf versteht und seine Produkte immer wieder neu danach ausrichtet, kann im Zeitalter der Digitalisierung wettbewerbsfähig bleiben.
Treffen Sie Jochen Siegert auf der Innovation Tour 2017 und diskutieren Sie mit! Alle Informationen zum Event finden Sie hier.
Die Nachfrage nach verständlich formulierten und bedarfsorientierten Versicherungen wächst – und wird in erster Linie von Insure-Techs bedient. Diese Start-Ups gehören, zusammen mit Produktinnovationen und IT-Systemoptimierung, zu den drei Trends, die in diesem Jahr disruptiv auf die Versicherungsbranche wirken werden.
Junge Kunden verstehen lernen
Die sogenannten Millennials sind die erste Generation von digital Natives. Sie posten in sozialen Netzwerken, kaufen online ein, nutzen Apps und Gadgets. Insurtechs, junge Start-ups in der Versicherungsbranche, schaffen es, diese Aktivitäten in ihrer Datenanalyse einzubinden und daraus maßgeschneiderte Angebote zu machen. So ersparen sie es ihren jungen Kunden, seitenlange Hausratspolicen nach Leistungen für Handys, Smart Watches oder Fahrrädern zu durchforsten. Mit einem schnellen und bedarfsorientierten Angebot treffen Insurtechs den Nerv der Generation Y, weil sie ihre Kunden verstehen. Das ist eine digitale Fähigkeit, die etablierte Versicherungsfirmen erlernen müssen.
Diese Start-ups vereinen Insurance und Technology, indem sie Prozesse digitalisieren – und zwar losgelöst von bestehenden Produkten, Systemen und Strukturen. Sie brechen wie Fintechs, ihre Verwandten aus der Finanzwelt, etablierte Marktmechanismen auf. Dadurch gerät die Versicherungsbranche unter Druck, ihre Prozesse, Systeme und Angebote anzupassen und verbessern zu müssen.
Immer mehr Insurtechs starten durch. Eine Entwicklung, die 2017 nochmal deutlich an Fahrt gewinnen wird. Die Start-ups versuchen sich dabei meist als Makler, die Versicherungsportale oder Plattformen zum Vergleichen anbieten. Eine erste digitale Krankenkasse hat mittlerweile bei der Bafin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) die Zulassung beantragt. Die Geschäftsmodelle überzeugen Investoren. Insurtechs haben 2016 rund 77 Millionen Euro an Kapital eingesammelt. Gegenüber dem Vorjahr floss damit mehr als das Doppelte in den digitalen Versicherungsmarkt in Deutschland, rechnet der digitale Versicherungsmakler Finanzchef24 in einer Studie vor.
Traditionellen Versicherungen droht daher zunehmend, von ihren jüngeren Kunden abgeschnitten zu werden. Wie lässt sich das verhindern? Auf die Start-ups zugehen und mit ihnen gemeinsam attraktive Produkte entwickeln ist ein vielversprechender Weg zum digitalen Erfolg.
Zwei Wege zum individuellen Zuschnitt
Produktinnovationen sollen passgenau auf die Bedürfnisse des Kunden eingehen. Aktuell zeichnen sich zwei Trends ab: Das Individualisieren traditioneller Produkte und das Entwickeln ganz neuer Versicherungen. In die erste Kategorie fallen etwa zeit- und nutzungsabhängige Kfz-Versicherungen, die sich stärker an der tatsächlichen Nutzung des Autos orientieren. Auch verstärkte Kooperationen, etwa mit Autoherstellern für individuellere Policen, zeigen, dass in etablierten Produkten Innovationspotenzial steckt.
Am interessantesten sind die neuen Cyber-Versicherungen, um sich gegen Hacks und Datenverluste abzusichern. Noch ist jedoch nicht ganz geklärt, wie sich die Risiken am besten bewerten lassen, da eine verlässliche Basis schwer zu etablieren ist. Doch technische Hilfen wie Real Time Analytics lassen Unternehmen Datenlecks schneller erkennen und helfen, Schäden zuverlässiger zu bewerten. Hier wird sich einiges tun, daher wird die Cyber-Versicherung eines der spannendsten Produkte in diesem Jahr.
Standardisieren und Synergien in der IT nutzen
Versicherungen müssen sich noch auf einer anderen Ebene anpassen: Die Niedrigzinsen verlangen danach, die Kosten herunterzufahren. Vor allem im Bestands- und Schaden-Management wollen viele die selbstgestrickten Lösungen aus der Vergangenheit durch Standardsoftware ersetzen. Hier ist Vorsicht geboten, denn individualisierte Systeme bieten gerade bei sehr ähnlichen Produkten einen Marktvorteil. Und die Standardsoftware muss in die Prozesse und IT-Systeme der Versicherung integriert werden. Daher gilt: Standardisierung ja, aber mit Augenmaß.
Handlungsbedarf ergibt sich bei der internen IT noch an vielen anderen Stellen: Noch immer setzen Versicherungen teils hunderte verschiedener Systeme ein. Zahlreiche Anwendungen benötigt jedoch niemand mehr. Bei bestehendem Bedarf lassen sich Anwendungen zusammen mit anderen Systemen durch eine neue Standardsoftware ersetzen. Ein umfassendes IT-Portfoliomanagement identifiziert Synergien und spart Kosten.
Die aktuellen IT-Trends fordern Versicherer heraus, sich stärker zu digitalisieren. Sie sollten Insurtechs, Produktinnovationen und IT-Systemoptimierung als Chancen begreifen, um ihre Marktchancen deutlich zu verbessern.
Im All ist kaum jemand so bewandert wie Thomas Reiter. Der bekannte Astronaut blickt auf insgesamt über ein Jahr im All zurück, das er an Bord der International Space Station (ISS) und der russischen Raumstation Mir verbracht hat. Dabei erinnert sich der Raumfahrer an ein wichtiges Detail, das ihm beim Blick auf den blauen Planeten auffiel: „Was Sie nicht sehen, sind Grenzen. Sie existieren einfach nicht.“
Keine Grenzen – diese Botschaft aus dem All haben heute viele Startups als die wichtigste Maxime verinnerlicht. Der digitale Sektor, in dem sie durchstarten, mag schwierig und stark vom eigenen Firmenstandort geprägt sein. Das kann aber eine gut durchdachte Geschäftsidee nicht davon abhalten, gegen etablierte Unternehmen anzutreten und abgesteckte Claims aufzuheben. Zum digitalen Höhenflug setzen jedoch nur Newcomer an, die auf fundamentale Ressourcen zugreifen: sehr viele Daten und ein Verfahren für die Datenanalyse, das einen Mehrwert erzeugt.
Kritische Datenmengen und ihr darauf ausgerichtetes Geschäftsmodell haben digitale Player richtig groß gemacht: Google schneidert seinen Nutzern Services in Maßanfertigung. Uber schwebt weltweit führend über anderen Mobility-Anwendungen. Dank der durchgängigen Datenanalyse-Plattform von Datameer bleiben viel Unternehmen überhaupt im Bilde. Diese Liste lässt sich mit fast jedem Unternehmen fortsetzen, das im digitalen Sektor unterwegs ist. Nun verlagert sich der Wettbewerb um Daten immer mehr in den Weltraum.
Satellitendaten hoch im Kurs
Insbesondere geografische Daten erweisen sich für Unternehmen als wertvolles Gut, wenn sie mit Drohnen, Karten, Fernsteuerung, Navigationssystemen oder Beacons Neuland betreten. Fest steht: Geoinformationsunternehmen haben gelernt, Satellitendaten in innovative Geschäftsideen zu übersetzen. So trieb der Kartendienst Here mit seinen digitalen Navigationsdiensten die Entwicklung des autonomen Fahrens voran. Den Automobil-Giganten Audi, BMW und Daimler war das geschätzte 2,8 Milliarden Euro wert, als sie Here im August 2015 übernahmen.
Nach der Autobahn erobert Big Data nun das All – und sendet viel Gutes auf die Erde. Bei der technischen Entwicklung, Umsetzung und Markteinführung neuer Produkte und Services, die auf Navigationsdaten beruhen und von Satelliten erhoben werden, bewegt sich einiges. Auf diesem Gebiet hebt sich das deutsche Gründungszentrum CESAH (Centrum für Satellitennavigation Hessen) hervor. Fabspace 2.0, eines der CESAH-Projekte, hat das Ziel, Universitäten in ihrer Region zu Innovationszentren zu machen. Die Wissensstätten sollen Erdbeobachtungsdaten bereitstellen, die zum Zusammenspiel von Wirtschaft und Gesellschaft wesentlich beitragen können.
Chance für Startups
Astronaut Thomas Reiter ist mittlerweile zum Interagency Coordinator und Advisor des ESA-Generaldirektors aufgestiegen. Er weiß, wie hoch die Hürden in den vergangenen Jahrzehnten waren, wenn man solche für uns heute selbstverständliche Daten gewinnen wollte. Reiter ist bewusst, dass Startups vom Zugriff auf diese satellitengestützten Daten profitieren können. Für uns von der Software AG war es daher der nächste logische Schritt, gemeinsam mit Fabspace 2.0 einen Startup-Wettbewerb für neue satellitendatenbasierte Geschäftsmodelle ins Leben zu rufen.
Aber nicht nur in diesem Wettstreit gilt: Nutzen wir digitale Technologie, um eine bessere Welt zu schaffen! Die Chance ist da, es gibt keine Ausrede, es nicht zu tun. Das Tempo des technischen Fortschritts ist unerbittlich – Kundenerwartungen steigen stetig, Mitbewerber entwickeln neue Fähigkeiten und Branchenstandards werden immer anspruchsvoller. Die digitale Welt der Zukunft wird anders aussehen als die Welt, in der wir heute leben. Auf dem Weg dahin weichen und fallen auf vielen Gebieten Grenzen, die man nicht vermissen, höchstens erinnern wird.
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