Die Energiewende schreitet rasant voran, jüngste Zahlen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) zeigen dies eindrücklich: So sind Erneuerbare – allen voran natürlich Wind- und Solarenergie – bereits heute Deutschlands Stromquelle Nummer eins. Sie liefern inzwischen mehr Strom als Steinkohle und Erdgas zusammen, Tendenz weiter steigend. Betrug der Anteil Erneuerbarer am deutschen Strommix 2016 ca. 32 Prozent, soll er bis 2025 auf bis zu 45 Prozent wachsen. Die Vorteile der Erneuerbaren liegen dabei klar auf der Hand: Sie schonen nicht nur das Klima, sondern sind – zumindest perspektivisch – auch extrem wirtschaftlich. Da Wind und Sonne kostenlos sind, produzieren sie Strom zu Grenzkosten von Null. In nicht allzu ferner Zukunft werden Erneuerbare dank des stetigen technischen Fortschritts konventionelle Kraftwerke daher betriebswirtschaftlich überflügelt haben.

Allerdings stellt der rasante Aufstieg der Erneuerbaren das Energiesystem auch vor eine enorme Herausforderung: Ihre Stromproduktion schwankt extrem mit dem Wetter. Während sie an einigen Tagen – so erstmalig am 8. Mai 2016 – fast den gesamten deutschen Strombedarf decken, fallen sie an anderen dagegen nahezu komplett aus. Und auch im Tagesverlauf kommt es zu erheblichen Schwankungen bei der Stromproduktion, etwa wenn Nebel aufzieht oder der Wind abflaut. Auf solche Schwankungen ist das Energiesystem aber noch nicht ausgelegt, mit paradoxen Folgen. So stehen ausgerechnet an besonders windigen Tagen viele Windräder still, da sie ansonsten das Stromnetz überlasten oder dessen Stabilität gefährden würden. Gleichzeitig müssen konventionelle Kraftwerke als Reserve vorgehalten werden, um z.B. bei Windflaute die Stromversorgung sicherzustellen. Ineffizienzen, die die Energiewende unnötig verteuern. Neben dem Netzausbau und dem Aufbau von Speicherkapazitäten ist die Digitale Transformation des Energiesystems unabdingbar, um dieser Herausforderung zu begegnen.

Sie ermöglicht es, das komplexe Zusammenspiel von Erzeugung, Verbrauch, Speicherung und Verteilung des Stroms in Echtzeit zu steuern und damit das Netz zu stabilisieren. Im Zentrum der digitalen Transformation stehen Plattformen, auf denen sämtliche Daten des Energiesystems zusammenlaufen, analysiert und zu aussagekräftigen Informationen aufbereitet werden. Dabei fließen neben aktuellen (Sensor)Daten auch historische Daten sowie Prognosen in die Analyse ein. Diese heterogenen Daten erlauben, nicht nur detaillierte Einblicke ins Energiesystem, sondern lassen auch verlässliche Vorhersagen über die weitere Entwicklung zu – also z.B. ob sich wegen plötzlich zunehmenden Windes die Stromeinspeisung in Kürze stark erhöhen wird. Diese Transparenz schafft die Voraussetzung für punktgenaue Eingriffe, mit denen sich Stromangebot und -nachfrage in Echtzeit ausgleichen lassen. Die Kapazitäten des Energiesystems können so optimal ausgenutzt, d.h. Erneuerbare bestmöglich eingebunden und Netzausbau wie Reservekraftwerkspark auf ein Minimum begrenzt werden, ohne die Sicherheit der Energieversorgung zu gefährden.

Einen weiteren Eckstein der Digitalen Transformation bildet das intelligente Energiemanagement. An der Strombörse ändern sich die Strompreise mittlerweile im 15-Minutentakt. Negative Strompreise – etwa an besonders sonnigen und windigen Tagen – sind dabei keine Seltenheit. So mussten am besagten 8. Mai 2016 die Kraftwerksbetreiber bis zu 130 Euro pro Megawattstunde zahlen, um ihren Strom überhaupt loswerden zu können. Schon in naher Zukunft werden zumindest größere (industrielle) Verbraucher unmittelbar wirtschaftlichen Nutzen aus den schwankenden Strompreisen ziehen können: Ist das Stromangebot groß, nehmen sie mehr Strom ab, indem sie ihre Produktion hochfahren, Prozessverläufe z.B. in Kälte- und Wärmeerzeugung umsteuern oder eigene Energiespeicher füllen, um von den niedrigen oder sogar negativen Preisen zu profitieren; umgekehrt reduzieren sie ihren Verbrauch bei geringem Stromangebot, um so ihre Kosten im Griff zu behalten. Das intelligente Energiemanagement, bei dem neben dem Strompreis natürlich auch weitere Faktoren wie z.B. Lieferfristen oder Wartungstermine ins Kalkül zu ziehen sind, verläuft dabei weitgehend automatisch. Die komplette Transaktion – d.h. Suche, Auswahl und Vertragsabschluss – wickelt ein digitaler Broker ab. Er bürgt sowohl für Geschwindigkeit als auch für Zuverlässigkeit des intelligenten Energiemanagements. Mit ihm lässt sich übrigens nicht nur Geld sparen, sondern auch welches verdienen: Unternehmen können ihre energetischen Flexibilitätspuffer als sog. Systemdienstleistung vermarkten, mit denen die Netzbetreiber die Stabilität der Stromnetze sicherstellen können.

So liegen denn auch die größten Potentiale der Digitalen Transformation des Energiesystems in neuen Geschäftsmodellen – und nichts wird in der Energiewirtschaft derzeit dringender gesucht. Neben Strom können den (gewerblichen) Verbrauchern komplementäre Mehrwertdienstleistungen angeboten werden, z. B. zum automatisierten Stromkauf, zur Analyse und Reduzierung des Stromverbrauchs oder sogar zur Erzielung von Einnahmen durch Erbringung besagter Systemdienstleistungen. Diese Dienste stiften den Verbrauchern echten Zusatznutzen, weshalb diese auch bereit sind, für sie zu zahlen. Zugleich sind diese Dienstleistungen für die Anbieter  sehr lukrativ. Einmal entwickelt, lassen sie sich als digitaler Service beliebig oft verkaufen. Allerdings ruft die Digitale Transformation auch branchenfremde Wettbewerber aus der Digitalwirtschaft auf den Plan. Sie sind stark in der Datenanalyse und machen mit innovativen Lösungen der etablierten Energiewirtschaft den Markt streitig. Ihnen können die Energie-Unternehmen nur mit eigenen Services wirksam Paroli bieten.

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