Am 12. September findet in Bonn die Innovation Tour 2017 der Software AG statt. Steffen Kramer, Industry Manager B2B bei Google Deutschland, wird dort die Chancen für ein digitales Deutschland beleuchten. Wir sprachen in einem zweiteiligen Vorab-Interview mit ihm darüber, welche Herausforderungen deutsche Unternehmen zu bewältigen haben und wie sie ihren Kunden in einer digitalisierten Welt begegnen müssen.  

Herr Kramer, Sie beschäftigen sich täglich mit der digitalen Zukunft Deutschlands – wie sieht diese aus?

Die deutsche Wirtschaft ist insgesamt auf einem guten Weg. Die Wichtigkeit der Digitalisierung wurde schon vor längerer Zeit erkannt. Allerdings bereitet mir die Geschwindigkeit der Umsetzung Sorgen. Das Rückgrat der deutschen Wirtschaftskraft bilden in erster Linie noch dieselben Branchen wie vor fünfzig Jahren: Automobil, Chemie, Logistik und Maschinenbau. In den Unternehmen dieser Wirtschaftszweige herrschen meist traditionelle Denkmuster sowie starre Strukturen und Prozesse vor – digitale Kompetenzen müssen sie sich erst antrainieren.  Das dauert seine Zeit. Neue digitale Geschäftsmodelle werden eher außerhalb Deutschlands, beispielsweise im Silicon Valley, entwickelt. Daher sehe ich die digitale Zukunft Deutschlands generell positiv, wenn auch mit einer gewissen Ungeduld.

Was sind gemäß Ihrer Erfahrung die größten Herausforderungen für Unternehmen im Zuge der Digitalisierung?

Es ist essenziell, digitales Wissen aufzubauen, digitale Experten einzustellen und eine neue Firmenkultur zu entwickeln. Unternehmen benötigen eine Innovationskultur, die auch Fehler erlaubt und den Mitarbeitern mehr Freiräume gibt. Nur so können sie den digitalen Wandel bewerkstelligen und schnell agieren, anstatt wie bisher häufig nur zu reagieren. Seit den 90er Jahren hat die deutsche Industrie nur noch wenige Innovationen hervorgebracht, sondern konzentriert sich als Exportweltmeister auf seine weltweit geschätzte Qualität vergangener Produktneuheiten. Damit sind wir bekanntlich durchaus erfolgreich, die Frage ist nur: Wie lange können wir davon noch zehren?
Selbstverständlich kann ein über Jahrzehnte gewachsenes Unternehmen nicht über Nacht seine Arbeitsweise auf den Kopf stellen. Vielmehr geht es um ein neues Mindset. Der digitale Wandel muss von der Führungsebene angestoßen und auch vorgelebt werden. Nur so kann die neue Kultur auf allen Ebenen diffundieren und nachhaltig in der Organisation verankert werden.

Was machen deutsche Unternehmen gut, wo sehen Sie Defizite – auch im internationalen Vergleich?

In einer aktuellen Studie von Boyden und der EBS, „Leadership in der digitalen Welt – wo stehen die deutschen Unternehmen?“, sagen 81 Prozent der befragten Manager, dass sie nur bedingt auf die Herausforderungen der Digitalisierung vorbereitet sind. Das stimmt umso bedenklicher, da in derselben Studie 68 Prozent der Befragten eine globale, digitale Strategie als entscheidend für den Unternehmenserfolg betrachten. Im internationalen Vergleich gesehen, hapert es generell an einer Innovationskultur. Deutsche Unternehmen sind eher risikoavers und konzentrieren sich darauf, Fehler zu vermeiden. Diese Einstellung bremst digitale Projekte, die von Agilität und Flexibilität leben, oftmals aus.
Auch beim Netzausbau gibt es Nachholbedarf: Der aktuellen Ausgabe des State of the Internet Reports zufolge liegt Deutschland im Ranking der Länder mit dem schnellsten Internetzugang derzeit auf Platz 25. Und schließlich fehlt es auch an Venture Capital für Start-ups: Im direkten Vergleich zu den USA beträgt die Wirtschaftsleistung lediglich das 4,5-Fache der deutschen, besitzt aber das 69-Fache an VC-Investitionsvolumen, wie aktuelle Untersuchungen zeigen.
Eine positive Entwicklung lässt sich im Bereich Industrie 4.0 beobachten: Den Unternehmen der Produktionsbranche scheint klar, dass die Digitalisierung ihnen die einzigartige Chance bietet, die vielgerühmte deutsche Qualität mit digitalem Ideenreichtum weiter nach vorn zu bringen. Auch beim Internet of Things und Smart Home sehen wir in jüngsten Jahren viele Innovationen auf dem deutschen Markt. Darauf lässt sich sicherlich aufbauen und erfolgreich umgesetzte Geschäftsmodelle haben immer auch Abstrahleffekte auf den Markt und die anderen Teilnehmer.

Und wie sieht es mit den Kunden aus?

Der B2B-Kunde verbringt im Vorfeld der Kaufentscheidung immer mehr Zeit damit, sich umfassend zu informieren. Dabei nutzt er vorwiegend digitale Kanäle wie Suchmaschinen und Unternehmenswebseiten, um dann bei der Kontaktaufnahme mit einem Lieferanten schon mit allen Informationen vertraut zu sein. Dies bestätigt eine Studie von Roland Berger und Google. Entlang der Customer Journey, die natürlich auch weiterhin klassische Offline-Touchpoints wie Printwerbung und Messeauftritte umfasst, nutzen B2B-Entscheider verstärkt unterschiedliche Geräte wie Laptops, Smartphones und Tablets, um online zu recherchieren. B2B-Marketingexperten bieten sich demzufolge viele neue, parallele Touchpoints in der digitalen Welt, die sie präzise aufeinander abstimmen sollten. Vereinfacht gesagt: Die Customer Journey wird digitaler und enthält mehr Touchpoints als früher, wird also unterm Strich komplexer.

Im zweiten Teil des Interviews erklärt Steffen Kramer demnächst, was Unternehmen tun müssen, um den neuen „Smarter Customer“ zu erreichen.

Treffen Sie Steffen Kramer auf der Innovation Tour 2017 der Software AG und diskutieren Sie mit! Alle Informationen finden Sie auf der Eventseite der Innovation Tour.

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