Wie können Industriebetriebe nicht nur energieeffizient produzieren, sondern auch zur Stabilität eines Stromnetzes mit erneuerbaren Energien beitragen? Antworten fand das Forschungsprojekt PHI-Factory. Die Software AG entwickelte dafür eine Echtzeitplattform, basierend auf der Analyse von Sensordatenströmen mit APAMA.

In Deutschland vollzieht sich ein Wandel in der Energieversorgung. Die Anzahl der konventionellen Großkraftwerke nimmt ab. Gleichzeitig steigt der Anteil der Erzeuger regenerativer Energien sowie der Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung mit dezentralem Standort. Für einen stabilen Betrieb der elektrischen Netze mit den Zielen hoher Versorgungszuverlässigkeit und -qualität hinsichtlich Spannung und Frequenz werden durch die Netzbetreiber fortlaufend Systemdienstleistungen wie Regelleistung, Blindleistung und Kurzschlussleistung angefordert.

Im Dezember 2016 startete das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderte Forschungsprojekt PHI-Factory. Die Leitidee war es, eine digitalisierte und energieflexible Fabrik der Zukunft zu konzipieren und zu demonstrieren, dass eine Fabrik als aktives Regelelement zeitgleich Energiekosten einsparen und Systemdienstleistungen für das öffentliche Energieversorgungsnetz bereitstellen kann. Das Forschungskonsortium bestand aus einem Zusammenschluss von Forschungsinstituten aus Maschinenbau, Mechatronik, Elektrotechnik und ausgewählten Industriepartnern, die sowohl an Entwicklungsaufgaben als auch als Anwender der Forschungsergebnisse beteiligt waren. Die entwickelten Lösungen wurden in der ETA-Forschungsfabrik am Campus Lichtwiese der TU Darmstadt integriert und experimentell erprobt – und das mit großem Erfolg. Die ETA-Fabrik wurde zur vollständig digitalisierten, energieflexiblen Modellfabrik ausgebaut.

 

 

Schlanke Echtzeitplattform für Big Data

Durch die umfangreiche Datenerfassung im Kontext einer flexiblen elektrischen Fabriknetzführung war die Erforschung und Entwicklung neuer Big Data-Verfahren erforderlich. Hier kam die Software AG ins Spiel. Unter der Leitung ihres Projektmanagers Dr. Dietmar Gärtner entwickelte sie als eine der Kerninnovationen des Projekts eine Big Data-Plattform mit Anbindung an die Datenquellen sowie Datenauswertung und Regelung in Echtzeit. Externe Softwaresysteme wie Energiemonitoring, Prognosemodelle und Produktionsplanung werden über geeignete Schnittstellen in die Plattform integriert und berechnete Stellgrößen an die Steuerungen der Maschinen und Anlagen übertragen. Die Plattform erfüllt State-of-the-art-Anforderungen:

  • Effizienz
  • Skalierbarkeit
  • Sicherheit
  • Wartbarkeit
  • niedrige Kosten

Eine zentrale Rolle nahm dabei APAMA ein, das in der Abschlussveranstaltung des Forschungsprojekts seine „Glanzstunde“ hatte. Dort wurde die laufende Ermittlung von Lastprognosen anhand einer Werkzeugmaschine in der Modellfabrik demonstriert. Lastprognosen treffen Aussagen über den zukünftigen Energiebedarf. Ein von den Projektpartnern der TU Darmstadt in Python entwickeltes Prognosemodell, das über die Plattform in APAMA eingebunden war, wurde im Sekundentakt mit aktuellen Daten versorgt, um den Energiebedarf mit einem kurzzeitigen Horizont für die nächsten 100 Sekunden vorherzusagen. Die Lastprognose wurde dann direkt an das Energiemanagementsystem EnEffCo® des Konsortialpartners Ökotec übertragen und dort in einem Dashboard visualisiert.

In einem zweiten Anwendungsfall, der ebenfalls auf der Echtzeitplattform der Software AG basierte, wurde eine Blindleistungsreglung für die ETA-Fabrik demonstriert. Erfolgt ein Blindleistungsabruf durch den Netzbetreiber, wird dieses über die Plattform als Ereignis an APAMA signalisiert, das einen ebenfalls in Python implementierten Blindleistungsregler mit den aktuellen Ist- und Sollwerten aufruft. Der Regler ermittelt daraus den Stellwert und gibt ihn an APAMA zurück, das diesen in dem OPC UA Server der entsprechenden Steuerung aktualisiert, damit die Leistungselektronik die Blindleistung dem Stellwert entsprechend regelt. Das “Einschwingen” der Bildleistung auf den neuen Sollwert wurde ebenfalls in einem Dashboard visualisiert.

 

 

Monitoring von Energie- und Prozessdaten in der Modellfabrik

Die Bilanz von PHI-Factory nach dreieinhalb Jahren Forschungsarbeit kann sich sehen lassen:  Mit Hilfe des vollständigen Monitorings von Energie- und Prozessdaten können zukünftige Energieflüsse antizipiert und der elektrische Lastgang in Abhängigkeit von Wetter- und Marktdaten angepasst werden. Dabei wurden u.a. Methoden aus dem Bereich des maschinellen Lernens für industrielle Energiesysteme eingesetzt und eine künstliche Intelligenz entwickelt, die selbstständig ein optimiertes Betriebsverhalten erlernt. Zudem setzte das Konsortium einen hoch effizienten, hybriden Energiespeicher, bestehend aus einem Schwungmassenspeicher und Lithium-Ionen-Batterie, ein und erprobte ihn. Der Speicher integriert die Ladestrategien für die werksgebundene E-Mobilität. Die Fabrik kann somit in Zeiten mit geringer Einspeisung aus erneuerbaren Energien bis zu zwei Stunden autark betrieben werden. Bis zu 100 Prozent der elektrischen Fabriklast lässt sich so flexibilisieren und um mehrere Stunden verschieben. So kann der Netzbezug auf besonders günstige Zeiten mit hoher Verfügbarkeit erneuerbarer Energien verschoben werden.

Künftige Forschungen

Wichtige Ergebnisse aus dem Projekt, speziell im Hinblick auf den Beitrag der Software AG, waren die Erkenntnisse, dass bei der Erhebung und Verarbeitung von großen Datenmengen eine möglichst frühe Vorselektion der für den jeweiligen Zweck tatsächlich notwendigen Daten erfolgen sollte (Edge Computing). Außerdem zeigte sich, dass die Echtzeitverarbeitung auf den Datenströmen hier große Vorteile bringt. Auch die Verwaltung der Datenquellen, die in PHI-Factory teilweise manuell erfolgte, bedarf stärkerer Automatisierung. Der Einsatz von Methoden der künstlichen Intelligenz hat sich für die betrachteten Anwendungsfälle als sehr vorteilhaft erwiesen. Diese Erkenntnisse werden in einem Nachfolgeprojekt “KI4ETA” verwertet und weiter erforscht. Die Software AG beteiligt sich an diesem Nachfolgeprojekt und bringt dafür ihre Expertise und ihre Technologien Cumulocity Cloud und Edge sowie APAMA mit ein.

 

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